Vor 15 Jahren: Vom Himmel der Ästhetik

Bild: reve.art

Vom Himmel der Ästhetik und die Moral von der Geschicht' | Ausstellung und Symposium zum Verhältnis von Kunst, Ästhetik und Moral

Die Ausstellung im Kasseler Kunstverein zeigte vom 9. bis 18. Juli 2010 Werke von Pablo Alonso, Hauenschild / Ritter, Patrick Huber, Ute Lindner, Urs Lüthi, Bjørn Melhus, Annelies Štrba und Tobias Trutwin.

Das Berliner Kunstprojekt copyright realisierte im Rahmen der Ausstellung ein moderiertes Gespräch mit Kurzvorträgen aus den Bereichen Kunst, Ethik, Religion und Naturwissenschaft. In Anlehnung an das ursprüngliche griechische Verständnis des „Symposiums“ als geistvolles Gespräch bei Tisch wurde auch eine außergewöhnliche Speisefolge serviert. Die Veranstaltung, zu der sich rund 50 Gäste einfanden, fand in einem eigens dafür angefertigten Objektensemble statt.

Vortragende: Harry Walter (gelesen von Saskia Kästner), Hans Jürgen Scheurle, Guido Schlimbach, Tom Kleffmann, Michael Schmidt-Salomon

Moderation: Johannes W. Feuling

Gesprächsteilnehmer:innen Bernhard Balkenhol, Jörn Budesheim, Evelyn Finger, Patrick Huber, Hildegard Lahme-Gronostaj, Ute Lindner, Bjørn Melhus, Georg Ritter, Kathrin Rost, Dirk Schwarze, Tobias Trutwin, Walter Weiss, Marlis Wilde-Stockmeyer


[Hier meine Eindrücke, vor ca. 15 Jahren festgehalten]

Harry Walter lässt sich von Saskia Kästner vertreten. Mit seinem Plädoyer für das Mittelmaß und diversen schönen Pointen kann er punkten. Sein Text ist allerdings zu lang – zumal es sich um einen Lese-, nicht um einen Redetext handelt. Aber Saskia Kästner reißt’s raus …

Hans Jürgen Scheurle hält einen sympathischen Vortrag: Mit zehn Monaten lernen Menschen das „Fallenlassen“. Wichtig ist das insbesondere für die Feinmotorik – man hält Gegenstände in der Regel so, dass man sie jederzeit fallen lassen kann … Allerdings geht er später etwas zu großzügig mit dem Begriff „Fallenlassen“ um.

Guido Schlimbach weist darauf hin, dass es heutzutage schon fast Mut braucht, als katholischer Theologe ein Podium zu betreten … Und tatsächlich: Teile des Publikums zeigen sich gegenüber den beiden anwesenden Theologen nicht besonders tolerant. Eines von Schlimbachs Stichworten ist der Zweifel. Hier sieht er (kleine Überraschung) eine Nähe von Religion und Kunst. Evelyn Finger will dagegen eher die Unterschiede betonen und fragt, ob es in der Kunst Erlösungsversprechen gibt … „Und erlöse uns vom identifizierenden Denken“, möchte man antworten – aber so weit kommt es nicht.

Johannes W. Feuling moderiert die Veranstaltung. Seine angenehmen Zwischenbemerkungen stellt er jedoch auf Antrag eines einzelnen Gastes ein. Schade.

Nicole Wiedinger meint später bei Facebook: Netter Auftakt zu einem klasse Thema. – Ist das Format aufgegangen, kamt ihr ins Gespräch?

Ich entgegne: Ins Gespräch zu kommen war nicht leicht … Ich hatte am Ende das Glück – mehr durch Zufall –, kurz bevor ich die heiligen Hallen verließ, mit dem Philosophen Schmidt-Salomon ins Gespräch zu kommen. Was zunächst recht heftig war – ich bin manchmal ein Hitzkopf –, wurde dann zunehmend entspannter und zugleich spannender. Die Gemeinsamkeiten, die sich hinter seinen provokanten Worten verbargen, waren doch recht groß … Das werde ich in angenehmer Erinnerung behalten. :-)

Tom Kleffman erklärt, dass nur Vernunftwesen einen Begriff von „Welt“ und vom „Ganzen“ haben können – und somit metaphysische oder religiöse Wesen sein müssen. Die Verbindung von Vernunft und Religion war vermutlich als kleine Provokation gedacht … und das klappt auch – manche im Publikum maulen. Obwohl man ihm hier ohne Weiteres zustimmen kann. Er – so scheint es – startet bei Kant. Aber den Raum, den dieser schuf, indem er das Wissen (oder war’s die Vernunft?) aufräumte, nutzt Kleffman etwas zu ungeniert für seine eigenen Zwecke. :-)

Ute Lindner fragt nach dem Absurden. Es bleibt aber völlig offen, was damit gemeint sein könnte … eine gottverlassene Welt wohl nicht, oder?

Wie auch immer: Das gemeinsame Abendmahl von Bernhard Thome erfreut unser aller Gaumen. :-)

Schmidt-Salomon und Bernhard Balkenhol liefern sich einen kleinen Schlagabtausch zu einem Bild von Pablo Alonso, den Schmidt-Salomon mit einem eleganten Linkshaken für sich entscheidet: Sie wollen hier die Deutungshoheit über diese Arbeit erlangen – und sind doch nur in ihrem poststrukturalistischen Paradigma gefangen … dem hat der Hausherr nichts entgegenzusetzen.