Falsche Prophezeiung


Wir sehen von links nach rechts, so wie wir lesen.

Schautafeln, die uns das Sehen lehren, zeigen links im Bild einen Baum – keine Buche, keine Tanne, keinen Apfelbaum, nur einen Baum. Von ihm fällt keine Frucht, und darunter sitzt kein Paar, das sich küsst. Niemand hebt Ingrid Marie auf, um sie mit nach Hause zu nehmen.

Zwei Linien führen nach rechts: von dem Baum zu einem Kopf im Profil ohne Körper. Sie treffen sich dort, wo der Augapfel sitzt. (Die ersten Augen waren Tropfen. In ihnen brach sich das Licht. Dahin zog es den Körper.) Dort, wo man das Gehirn vermutet, zeigt die Tafel einen zweiten Baum – manchmal kopfüber, sodass seine Wurzeln in den Himmel ragen.

Diese Modelle sind falsch, das wissen wir heute.

An ihre Stelle ist die Theorie des kontrollierten Träumens getreten – predictive coding. Nur die Reize der Sinne halten unsere Träume am Tag im Zaum. In ihnen hat die Wirklichkeit das Sagen. Jede Prophezeiung wird von ihr kontrolliert. Stimmen Vorhersage und Reiz nicht überein, richtet sich der Traum neu aus.

Ich stelle die neue Theorie auf die Probe, öffne meine Augen – und sehe: Du bist nicht da.